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Ein Stück Deutschland in Chile

Dass deutsche Auswanderer einige unserer typischsten Traditionen in der neuen Heimat pflegen, ist nicht so unbekannt. So wird den erfahrenen Reisenden ein nach deutschem Reinheitsgebot gebrautes Bier im brasilianischen Blumenau oder deutsche Straßennamen im texanischen Fredericksburg nicht weiter überraschen. Aber dass auch die Landschaft an deutsche Gegenden erinnert, ist wohl eher ungewöhnlich. Doch genau das erlebt man etwa im chilenischen Puerto Varas oder Frutillar. Beide Ortschaften liegen am Llanquihuesee knapp 1000km südlich von Santiago und waren im Zuge der ersten Einwanderungswelle nach Chile um 1850 gegründet worden. Die von Wäldern, Flüssen und Bergen geprägte Region vermitteln das Gefühl, als befände man sich in den Alpen. Nur der über allem thronende und mit seiner konischen Form sehr emblematische Osornovulkan erinnert den Besucher daran, dass er nicht in Südbayern unterwegs ist.

Beide Städtchen gelten als die „deutschesten“ in Chile. Trotz dem es zahlenmäßig weit weniger deutschsprachige Einwanderer gibt als etwa in Brasilien oder Argentinien, so war und ist ihr kultureller Einfluss in Chile um so größer und bedeutender. Auf den Speisekarten der nicht selten in süddeutschem Stil eingerichteten Restaurants finden sich Kassler mit Sauerkraut und Kartoffelbrei oder Spargel mit Kochschinken, und warum der „kuchen“ ein klassisches Backwerk zum Nachmittagskaffee in Chile geworden ist, davon erzählt der nächste Artikel. Es versteht sich fast von selbst, dass es im mittleren Süden Chiles von Beginn an Versuche gab, Bier nach dem Deutschen Reinheitsgebot zu brauen. Allen heutigen Chilereisenden sei ein Bier aus der Brauerei Kunstmann in Valdivia empfohlen, die seit den 1990er Jahren mit großem Erfolg und deutschsprachigem Slogan „Das gute Bier“ die Tradition der ersten Brauerei Anwandter von 1851 in der neben Puerto Varas zweiten wichtigen Ansiedlung deutscher Einwanderer in Chile weiterführt.

Trotz deutscher Schulen und Vereine, die nach wie vor das gesellschaftliche Leben der deutschstämmigen Chilenen prägen, hat die deutsche Sprache selbst an Bedeutung verloren. Grund dafür sind die Mischehen, die während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark zugenommen haben und in denen fast ausschließlich Spanisch gesprochen wird. Dem kulturellen Bewusstsein der heutigen Nachfahren deutscher Einwanderer tut das allerdings keinen Abbruch. Sie zelebrieren ihre deutschen Bräuche einfach auf Spanisch.

 

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